Literatur

Eine Auswahl

(in alphabetischer Reihenfolge der Autoren)

Dietrich Fischer-Dieskau   Hubert Giesen  Floris Juynboll Jürgen Kesting  Rudolf Schock  Klaus Ulrich Spiegel  Joachim Vierrath

"Unter den ersten Sängern, die im neueren Sinne werkgerecht Schubert sangen, ist Karl Schmitt-Walter zu nennen, der Bariton des Deutschen Opernhauses Berlin. Seine Winterreise mit Ferdinand Leitner am Flügel, damals noch Liedbegleiter, wird jedem unvergeßlich bleiben, der sie miterlebte."

aus: Dietrich Fischer-Dieskau, Auf den Spuren der Schubert-Lieder, F. A. Brockhaus, Wiesbaden, 1972 (Seite 350)

"Übrigens ergab sich dann doch eine Möglichkeit für mich, in Stuttgart zu bleiben und ernsthafte Musik mit zwei angesehenen Künstlern zu machen. Ferdinand Leitner wandte sich nämlich immer deutlicher dem Dirigieren zu, wurde 1943 Kapellmeister des Theaters am Nollendorfplatz in Berlin und konzentrierte sich auf die Laufbahn eines Dirigenten. Zwei seiner Sänger, Karl Schmitt-Walter und Walther Ludwig, kamen auf die Art zu mir, so daß ich buchstäblich beide Hände voll zu tun hatte, um ihnen gerecht zu werden. Ich bin viele Jahre mit ihnen gereist, hatte Konzerte in München, Berlin, Hamburg, eigentlich in jeder großen deutschen Stadt. Sie setzten die Tradition des deutschen Liedgesangs fort, lösten sozusagen Karl Erb und Heinrich Schlusnus ab und wurden später wieder abgelöst von einer jüngeren Generation, zu der Dietrich Fischer-Dieskau, Hermann Prey und der leider früh verstorbene Fritz Wunderlich gehörten. Karl Schmitt-Walter und Walther Ludwig singen, während ich diese Zeilen schreibe, nicht mehr."

aus: Hubert Giesen, Am Flügel: Hubert Giesen, S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main, 1972 (Seiten 201 f)

Just like his contemporary Gerhard Hüsch, Karl Schmitt-Walter only started to make records when he was engaged in Berlin, only five years later than Hüsch in 1935. Some of the few Lieder recordings he made for Telefunken are among the finest renderings in the field at that time. They can easily withstand comparison with Hüsch or Herbert Janssen for that matter, though his baritone voice is substantially brighter timbred than either of these. This enabled him occasionally to sing in keys nearer to those for high voice than those generally used by a baritone. Another quality which springs to mind is his splendid legato. Despite this I feel that those songs, which need a more interpretative than purely lyrical approach, such as we find in Loewe and Wolf, come out best. This aptly coincides with his background as "Kavalier-Baritone". He was well coached in handling the appoggiaturas (grace notes) in Schubert, something which cannot always be said of Hüsch or even Elena Gerhardt!

aus Floris Juynboll: Karl Schmitt-Walter - an Appreciation of some of his Lieder Records, The Record Collector, Vol. 29, Seite 182, Ipswich, 1984.

"Seine Samttöne und sein intimer, flexibler Umgang mit der Musik machen seine Aufnahme ungemein überzeugend.
Graham Sheffield über Karl Schmitt-Walters Aufnahme von "Mädchen, so treibt ihr's mit allen"

Als einer der elegantesten »Kavaliersbaritone« galt der in Germersheim geborene Karl Schmitt-Walter (1900-1985), nach vierzehn Provinzjahren von Wilhelm Rode 1935 an das Deutsche Opernhaus in Berlin engagiert. Er hatte bei G. Landauer und Hans Reinmar in Nürnberg und E. Schmidt-Carlén in Dortmund und Wiesbaden studiert und zunächst in Oberhausen, Saarbrücken, Dortmund und Wiesbaden die leichten Baritonrollen, darunter viele Operettenpartien, gesungen. In Berlin debütierte er als Figaro und machte alsbald, von Erna Sack an Telefunken empfohlen, seine ersten Platten, darunter auch Liedaufnahmen mit dem Pianisten Michael Raucheisen. Seine Konzerte gab er mit Ferdinand Leitner, der ihn auch bei der Aufnahme von Schuberts Winterreise begleitete. Die sich anbahnende internationale Karriere wurde durch den Krieg unterbrochen; Schmitt-Walter sang Wehrmachts- und Frontkonzerte. Nach dem Krieg war er für zwei Spielzeiten an der Wiener Staatsoper engagiert, sang unter Wilhelm Furtwängler in Salzburg Papageno (1949) und ging 195o an die Bayerische Staatsoper. 1956 debütierte er in Bayreuth als Beckmesser; er sang die Partie bis 1961. Er übernahm zudem in Bayreuth die Betreuung ausländischer Sänger. 1957 wurde er als Professor an die Staatliche Hochschule für Musik in München berufen.
Schmitt-Walters Stimme war ein schlanker, heller, in der Höhe fast tenoral eingefärbter Bariton, aus dem, physische Kraft und das entsprechende Bühnentemperament vorausgesetzt, ein dramatischer Tenor hätte werden können. Die Tonproduktion ist leicht, das Singen geschmeidig und elegant. Die Arie des Guglielmo aus dem zweiten Cosí-Akt, Papagenos Vogelfänger-Lied, Don Giovannis Serenade oder Figaros Kavatine singt er mit gutem Klang, präziser Artikulation und großer Natürlichkeit. Hohe Töne läßt er zwecks dramatischer Intensivierung gleichsam explodieren; sie schwingen nicht sauber aus, sondern entweichen. Für Escamillos Lied, Tonios Prolog oder Rigolettos »Gleich sind wir beide« ist die Stimme eigentlich zu leicht, obwohl die leichte Bildung der Höhe und die schöne Sotto-voce durchaus entschädigen. Mit großem Raffinement singt er Lunas »Ihres Auges himmlisch Strahlen«: Die heiklen, aufsteigenden Phrasen bildet er mit guter Beimischung des Kopfklangs - eine klassische italienische Lösung. Fast ideal die Aufnahme von Wolframs Lied an den Abendstern."

aus: Jürgen Kesting, DIE GROSSEN SÄNGER, Band 2, Claassen, Düsseldorf, 1986, (Seiten 1040 ff)

"In Berlin folgte am 20. Juni 1948 in der Deutschen Staatsoper Mozarts DON GIOVANNI. Joseph Keilberth, der aus Dresden kam, dirigierte die Premiere. Ernst Legal führte Regie mit einer Starbesetzung: Rita Streich (Zerlina), Gottlob Frick (Komtur), Heinrich Pflanzl (Leporello) - und vor allem Karl Schmitt-Walter, den ich als eleganten, stimmschönen Don Giovanni in Erinnerung habe."

aus: Rudolf Schock, Ach, ich hab' in meinem Herzen ...... Herbig Verlag München/Berlin, 1985 (Seite 241)

"Die Abkehr vom Stadtschreiber als teils misantropisch-galliger (Neumann, Wiedemann, Pechner, Kunz), teils burlesk-ridiküler (Fuchs, Ferenz, Kusche), jedenfalls negativer Lortzingfigur, auf deren Kosten alle - inkl. Publikum - schadenfroh ihre Aggressionen abfließen lassen dürfen, ist erstmals in der seinerzeit hochumstrittenen ersten Wielandschen Meistersingerinszenierung 1956 in Bayreuth vollzogen worden. Zwar blieb der Merker auch dort die cholerische und pedantische Hagestolzfigur, die sie nun mal ist. Doch eben auch: Der respektable Intellektuelle, dem die Meister nicht ohne Grund das Wächteramt über die Regeln zugebilligt haben (was sie bestimmt nicht getan hätten, wäre er nur lächerlich oder nur reines Ekelpaket), der angesehene Bürger mit öffentlicher Amtsreputation, der Repräsentant des Establishments, der zur Fundierung/Bestätigung eben dieser Würde schon aus gesellschaftlichen Motiven endlich den Stand der Ehe erreichen will, in seinen Motiven systemimmanent, also respektabel erscheinend, nur in seinen Vorgehensweisen tragisch bis tragikomisch, weil gerade nicht zur Sachs'schen Strippenzieherei befähigt. Eine Figur, die eher interessierte Zuwendung denn mentale Abweisung provozieren sollte.

Das war von Wieland - vor dem Hintergrund der überkommenen, nahezu sakrosankten Deutungsweise auf deutschen Bühnen (auf die eigentlich Adorno, und nicht Wagner, seine Hypothese von der Judenkarikatur münzte) - genial konzipiert und sofort sinnfällig umgesetzt. Dabei kamen ihm seine Rollenträger zustatten. Er hatte für die Partie zunächst den bedeutenden Neubayreuther Telramund, Gunther, Klingsor Hermann Uhde einsetzen wollen. Der bat nach einigen Klavierproben um Erlösung aus der Verpflichtung - die Tessitura lag ihm zu hoch. Das ermöglichte eine Umbesetzung, die kein Ersatz war, sondern geradezu die Inkarnation dieses Rollendeutung wurde: der ehemals in lyrischen und Spielpartien exzellierende, nun ins Charakterfach wechselnde Karl Schmitt-Walter, Professor an der Musikhochschule München. Seine Interpretation machte weltweit solche Wirkung, daß sie sofort an den führenden deutschen Opernhäusern nachvollzogen wurde; Schmitt-Walter hatte dann jahrelang kaum andere Verpflichtungen als weltweit Beckmesser. Später ging die Partie in Wielands Inszenierungen an den dramatischen Charakterbaßbariton Carlos Alexander, Spezialist für zeitgenössische Opernrollen, über - wieder eine herausfordernd neuartige, aber ebenfalls ganz auf eine ernstzunehmende Figur hin akzentuierte Besetzung."

Aus: Klaus Ulrich Spiegel, Wagnerforum, Bayreuth, 19. Mai 2000

 "Karl Schmitt-Walter gehörte einmal, etwa in den Jahren zwischen 1935 und 1960, zu den beliebtesten und meist gefragten Baritonen seiner Generation in den deutschsprachigen Ländern.

Seine Stimme war den Besuchern der großen Opernhäuser und Konzertsäle bestens vertraut, sie erklang unzählige Male von den Schellackplatten jener Jahre und war vor allem durch den Rundfunk Millionen Musikfreunden im Ohr: Nicht nur durch die Studioaufnahmen, sondern in nicht geringerem Maße durch die Übertragung von Opernaufführungen und "Bunten Abenden". Bei letzteren brillierten die Sänger mit den "Sahnestücken" ihres Repertoires - bei Schmitt-Walter war dies beispielsweise die Kavatine des Figaro aus dem Rossinischen "Barbier", die jedesmal riesigen Beifall auslöste. Karl Schmitt-Walter war quasi ein Medienstar (diesen Begriff gab es damals natürlich noch nicht), und seine gewaltige Diskographie (die zweifellos noch durch weitere Einspielungen, speziell des Rundfunks, zu ergänzen wäre) zeigt ihn als Universalisten, der das weite Feld der deutschen und italienischen Oper, der Operette, des Oratoriums, des deutschen Klavierliedes etwa von Beethoven bis Richard Strauss, aber auch des Volksliedes und des Tagesschlagers beherrschte.

Er arbeitete mit den seinerzeit bedeutendsten Dirigenten wie Furtwängler, Keilberth und Knappertsbusch zusammen, war Bühnenpartner solcher Gesangsgrößen wie Erna Berger, Elisabeth Schwarzkopf und Elisabeth Grümmer. Namen und Erinnerungen ...

Koryphäen der Liedbegleitung waren seine Partner bei Liederabenden: Franz Rupp, Michael Raucheisen und Hubert Giesen.

Kurz: Der Mann war einfach präsent! Ja, man mußte sich geradezu dumm stellen, ihn nicht zu kennen. Dabei leuchtete seine dunkle, technisch hervorragend geführte, ausdrucksreiche und geschmeidig-elegante Stimme keineswegs allein am Sängerhimmel.

aus: Joachim Vierrath, Stimmen, die um die Welt gingen, Heft Nr. 56 "Karl Schmitt-Walter", Herausgeber: Günter Walter, Münster, 1997 (Seiten 2 f)