Grußworte zum 100. Geburtstag

(in alphabetischer Reihenfolge)

Theo Adam  Dietrich Fischer-Dieskau Wolfgang Sawallisch  Elisabeth Schwarzkopf  Anja Silja  Astrid Varnay  Wolfgang Wagner

Theo Adam

Schon als Sängerknabe im Dresdner Kreuzchor war ich im Dresdner Künstlerhaus Zeuge der großen Gesangskunst des von mir verehrten Karl Schmitt-Walter.
Wie groß war meine Freude, als ich 1955 anläßlich der Eröffnung der Staatsoper Berlin mit ihm zusammen als Gegenspieler des Don Giovanni - ich sang damals als 29-jähriger, jüngster Kammersänger Deutschlands den Komtur - auf der Bühne stehen konnte!
In Bayreuth haben wir dann seinen Beckmesser in den "Meistersingern" bewundert. Er bestätigte Wieland Wagners Auffassung, dass der Stadtschreiber kein Bassbuffo bleiben darf, sondern sich zu einem ernsten, klugen Gegenspieler des Hans Sachs emanzipiert . Es erfüllt mich mit Stolz, dass ich eine gute Zeit lang mit dem großen Künstler Karl Schmitt-Walter auf der Berliner und der Bayreuther Bühne zusammenwirken konnte!

Kammersänger Prof. Theo Adam
Dresden, 2.11.2000

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Dietrich Fischer-Dieskau

FD in SalzburgWas ich zu Karl Schmitt-Walter sagen kann, beruht auf ganz wenigen persönlichen Treffen, zumeist aber auf Eindrücken im Konzertsaal oder auf der Opernbühne. Sicherlich war er in Deutschland der kultivierteste, wohl auch der vielseitigste unter den Bariton-Sängern seiner Zeit.
Schon als ich noch ein Kind war, lauschte ich seinen Liedaufnahmen bei Telefunken mit gespitztem Ohr, denn aus ihnen war ein Empfinden für die Besonderheiten des Liedes zu spüren, dem es nachzueifern galt. Bald danach hörte ich ihn in einer höchst beeindruckenden "Winterreise" im Berliner Beethoven-Saal, bei der Ferdinand Leitner am Flügel saß. Ich glaube, aus dieser Wiedergabe lernte ich mehr als aus sehr vielen anderen Interpretationen, worauf es in diesem Liederzyklus ankommt: Genauigkeit, Tonschönheit und inneres Mitschwingen.
Viel davon brachte er auch in seine der gehobenen Unterhaltungsmusik gewidmeten und dem Publikumsinteresse Rechnung tragenden Wiedergaben. Ganz überwältigend dann seine geschmeidige Eleganz in der Titelrolle des "Barbier von Sevilla" und seine Wiedergabe des Wolfram, beide am Deutschen Opernhaus Berlin, das sich seiner zu Besetzungsglanzpunkten versicherte. Seine ungezwungene, natürliche Tongebung war dazu geeignet, den Ausdruck nicht zu verstellen und sich von allen Unreinheiten der Intonation freizuhalten, die seinem berühmten Zeitgenossen Heinrich Schlusnus zeitlebens hinderlich waren.
Nach dem Krieg, als Schmitt-Walter vor allem in München tätig war, traf ich ihn 1951 vor dem Bühneneingang des Prinzregententheaters, als ich fiebernd vor Aufregung zu meinem ersten Wolfram dort eintraf. Sein herzhaftes "Toi-Toi-Toi!" klingt mir heute noch in den Ohren. Und schließlich hatte ich das Privileg, 1956 mit Schmitt-Walter bei seiner großartigen und revolutionären Gestaltung des Beckmesser in den Bayreuther "Meistersingern von Nürnberg" unter der Regie Wieland Wagners mitzutun, wenn auch nur in der kleinen Rolle des Kothner.
Ich werde dem liebenswerten und überzeugenden Künstler Karl Schmitt-Walter stetes Andenken bewahren.

Prof. Dr.h.c.mult. Dietrich Fischer-Dieskau
Berg, 21.9.2000

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Wolfgang Sawallisch

Karl Schmitt-Walter war einer der ganz großen in der langen Liste berühmter Künstler dieser Zeit. Ich habe ihn in vielen Rollen auf der Bühne des Nationaltheaters in München erleben können, da war ich mehr als jung und konnte nur davon träumen, einmal mit diesem Sänger auch beruflich in direkten Kontakt kommen zu können: Leider ist es bei Orff und Strauss geblieben, die wir gemeinsam in London erarbeiteten.
In meiner Erinnerung geblieben sind die einmaligen Eigenschaften, die diesen Künstler auszeichneten: Können, Disziplin und eine unbeschreibbare Lust am Gesang, an unserer Musik. Er tat alles mit einer solchen Hingabe und mit einem unglaublichen Gefühl für Verantwortung dem Beruf gegenüber. Das brachte ihm die uneingeschränkten Anerkennungen des Publikums ein. Seinen Beckmesser habe ich erlebt (leider nie gemeinsam musiziert!) - das ist unübertrefflich - und das ist es bis heute geblieben.
Wer ihn auch nur ein einziges Mal in einer bedeutenden Rolle auf der Bühne erlebt hat, wird dieses Ereignis nicht mehr vergessen haben.

Prof. Wolfgang Sawallisch,
Philadelphia, 23.11.2000

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Elisabeth Schwarzkopf

Eben habe ich das Programm einer Tannhäuser-Aufführung im Deutschen Opernhaus Berlin gefunden, - es war am 17. Mai 1938. Ich durfte schon den ersten Edelknaben singen, aber noch nicht etwa gar den jungen Hirten, der kam dann ziemlich bald danach. Der von uns allen hoch verehrte Bariton Karl Schmitt-Walter sang eine seiner Glanzpartien, den Wolfram. Natürlich standen wir Anfänger bis zum Ende seines "Abendsterns" in der Kulisse, um diesen Künstler aus der Nähe zu hören. Damals ahnte ich natürlich nicht, welche große Rolle er in meinem Künstlerdasein spielen sollte! Schon im Jahr 1940 wurde mir die Zerbinetta in einer Neuinszenierung von "Ariadne auf Naxos" anvertraut. Der Dirigent war Gott sei Dank Artur Rother. Meine Rettung - in jeder Beziehung - kam von dem so hochverehrten Kollegen Schmitt-Walter, der den Harlekin sang. Er hatte erkannt, dass ich vielleicht noch zu retten wäre, - was die Gesangskunst angeht - und schlug mir eines Tages vor, mich bei Frau Maria Ivogün vorsingen zulassen. Es gibt und gab nicht viele Kollegen, die in so selbstloser Weise einem jungen Künstler auf den Weg helfen. Bei Frau Ivogün musste ich natürlich wieder von Null anfangen, während der ganzen Zeit aber auch mein Brot verdienen und das singen, was mir aufgetragen wurde. Ich muss wohl nicht erzählen, dass Schmitt-Walter nicht nur als Opernsänger so überaus beliebt war, sondern eigentlich hauptsächlich auch durch seine Liederabende. Später wurde mir übrigens der Luxus seines Liedbegleiters auch zuteil, - Michael Raucheisen war ja der Ehemann von Maria Ivogün. Raucheisen ließ mich meinen ersten Liederabend schon im November 1940 im Beethoven-Saal singen, - dieser wurde allerdings von Raucheisen "ausverschenkt", aber ich musste drei weitere Liederabende anfügen - immer mit einem anderen Programm natürlich - und die waren dann alle drei "ausverkauft".
Übrigens ging es unserer Generation gar nicht um das Geld, aber das ist ein langes Thema in der heutigen Zeit ... 
Und jetzt kommen wir zum Ende meiner eigenen Sängerlaufbahn: Ende des Jahres 1957 und Anfang 1958 nahm mein Mann mit einer handverlesenen Künstlerschar "Capriccio" von Richard Strauss in London auf. Er hatte das große Glück, für diese Aufnahme Wolfgang Sawallisch als Dirigenten zu gewinnen. Für alle Beteiligten war es wohl eine der wichtigsten Aufgaben, die uns aufgegeben wurde. Wer sollte diese Oper und meine eigene Arbeit abschließen? Karl Schmitt-Walter, der den Haushofmeister sang ("Frau Gräfin, das Souper ist serviert") -------

Es ist nicht leicht, sich Stimmen zu merken, aber die von Karl Schmitt-Walter kann ich mir mit Leichtigkeit jederzeit zurückrufen: Es war das einmalige Timbre, die Musikalität und die wunderbare Sprachbehandlung, die ich in dieser Schönheit eigentlich nie wieder gehört habe.
Das wäre es für heute, Es gibt eine sehr hübsche Fotografie beim Plattenaufnehmen, nur finde ich Sie im Augenblick nicht. Ich werde mich aber drum bemühen.

Prof. Dr. Elisabeth Legge-Schwarzkopf, D.B.E., Kammersängerin
Zumikon, 9. Oktober 2000

 
Elisabeth Schwarzkopf, Karl Schmitt-Walter,
Ariadne auf Naxos, Berlin, 1940

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Anja Silja

Karl Schmitt-Walter ist für mich lebendige Bayreutherinnerung. Ich habe dort zwar nicht mehr mit ihm auf der Bühne gestanden, aber sein wunderbarer „Beckmesser“ in der legendären Inszenierung Wieland Wagners, die vor der war, die ich sang, wird nicht nur mir für immer unvergessen bleiben und mit der “großen Bayreuth-Zeit“ verbunden werden.

Meine persönliche Erinnerung an ihn als Mensch und Kollegen ist sehr lebendig, wenngleich ich ihn nicht allzu oft auf den gemeinsamen Gastspielen sah, außerhalb der wenigen Kontaktmomente auf der Bühne.

Trotzdem gehört er zu den großen und ungebrochen präsenten Eindrücken meiner Jahre in Bayreuth und mit Wieland Wagner.

Anja Silja
Paris, 1.12.2000

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Astrid Varnay

Zu Karl Schmitt-Walter will ich eigentlich nur so viel sagen: Ich habe ihn als Kollegen gemocht und als Künstler sehr geschätzt.

Kammersängerin Astrid Varnay
München, 3.11.2000

 

 

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Wolfgang Wagner

Dem Wunsch der Familie, einige Gedanken zum 100. Geburtstag von Karl Schmitt-Walter zu notieren, komme ich selbstverständlich sehr gerne nach.

Leider hatte ich selbst keine Gelegenheit, bei den Bayreuther Festspielen mit dem renommierten Bariton Karl Schmitt-Walter zusammenzuarbeiten, dafür ergab sich bedauerlicherweise keine Möglichkeit. Aber natürlich habe ich ihn als ein herausragendes Mitglied unseres Ensembles, der „künstlerischen Genossenschaft“ Bayreuths, während der Jahre 1956 bis 1961 hier intensiv erleben dürfen und seine große Kunst geschätzt und bewundert.

Mein Bruder Wieland hatte den erfahrenen und ausgereiften Künstler als Beckmesser für seine Inszenierung der „Meistersinger“ 1956 verpflichtet. Diese Partie hat er dann in sechs Festspielzeiten gesungen, und seine Gestaltung der widersprüchlichen Figur des Merkers wurde immer ausgefeilter. Wieland Wagner schrieb im Zusammenhang mit den verschiedenartigen Charakteren des Stücks, die ein „Meisterwerk“ zustandebringen, in seinem Aufsatz „Ein Kind ward hier geboren“ über die Beckmesser-Figur: „Es bedarf der snobistischen Opposition ehrenwerter Zunftgenossen (der Meister) und deren Besserwisserei nicht weniger als eines Beckmesser von Format, der als adversarius und vom Schicksal gesetzter Widerpart die ungewollt positive Funktion des Korrektivs und Reizmittels zugleich für jeden echten Künstler ausübt.“ Diesen Widerpart verkörperte Karl Schmitt-Walter in eindrucksvoller Weise, zugleich tragisch und komisch, aber nie würdelos. Nicht zuletzt dank gepflegter Liedkultur, die seiner Stimme ihr Charakteristikum verlieh, gelang es ihm, die reichen musikalisch-textlichen Facetten der Partie in ihrer Tiefe differenziert auszuloten.

Auch nach seinem Ausscheiden bei den Festspielen blieb er Bayreuth eng verbunden, und ich erinnere mich mit Freude unserer herzlichen Begegnungen in späteren Jahren. Allen, die ihn gekannt haben, wird sein 100. Geburtstag Anlass sein, Karl Schmitt-Walter aufrichtig und mit Respekt zu gedenken.

Wolfgang Wagner
Bayreuth, 29.11.2000

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